Wissen richtig vermitteln – warum Reihenfolge zählt
Als Ausbilder ist es für mich unabdingbar, eine Reihenfolge zu beachten, nach der Wissen in seiner Wichtigkeit vermittelt wird.
Unabhängig von der Sportart sollte man zusätzlich die wichtigsten didaktischen Begriffe kennen und sie auch vermitteln können.
Die nachfolgenden Tabellen zeigen, mit welchen Themen ich mich beschäftige und welches Wissen meine Kundinnen und Kunden dadurch vermittelt bekommen.
Meine jüngeren Kolleginnen und Kollegen wissen manchmal nicht genau, was man alles lernen und weitergeben kann – ein ganz normaler Vorgang. Jeder erfahrene Ausbilder erinnert sich an die eigene Zeit zurück, in der er sich auf einem ähnlichen Wissensstand befand. Dabei denkt man auch an die Fehler, die man damals aus Unwissenheit gemacht hat. Kaum jemand kann von sich behaupten, gänzlich frei davon gewesen zu sein.
Deshalb habe ich eine Bitte an die jüngeren Kolleginnen und Kollegen:
Lest euch diese tabellarische Übersicht aufmerksam durch und hört auf eure erfahrenen Kolleginnen und Kollegen. Denkt zumindest über deren Argumente nach. Wenn ihr anderer Meinung seid, widerlegt sie fachlich und sachlich im Rahmen einer Diskussion. Davon kann jeder profitieren – denn auch wir älteren Ausbilder sind weder fehlerfrei noch allwissend, verfügen aber über mehr Erfahrung, die uns in vielen Situationen entscheidend weiterhilft.
1. Didaktische Begriffe im Reitunterricht
Begriff | Bedeutung im Reitunterricht | Beispiel |
---|---|---|
Wissen | Theoretische Kenntnisse zu Reitlehre, Verhalten, Ausrüstung, Hilfen | Definition von „Anlehnung“ |
Fähigkeiten | Übertragbare Voraussetzungen: Wahrnehmung, Koordination, Steuerung | Gleichgewicht halten; Bewegungen koordinieren |
Fertigkeiten | Automatisierte Handlungen durch Übung | Feine Zügelhilfe ohne bewusste Konzentration |
Können | Zusammenspiel von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten | Trab aussitzen und gleichzeitig korrekt einwirken |
Haltung (Einstellung) | Werte, Motivation, Geduld gegenüber Pferd und Lernen | Pferdegerechtes Handeln statt Leistungsdruck |
Erfahrung | Situationsabhängiges, praxisbasiertes Wissen | Erkennen von Ermüdungsanzeichen |
Kompetenz | Gesamtheit aus Wissen, Können, Erfahrung, Haltung | Eigenständiges, pferdegerechtes Reiten |
Bewusstsein / Wahrnehmung | Differenziertes Spüren von Körper, Pferd und Umgebung | Spüren des Untertretens unter den Schwerpunkt |
Verständnis | Tiefes Begreifen von Zusammenhängen | Warum reagiert das Pferd auf eine Hilfe |
Motivation | Innerer Antrieb zur Entwicklung | Freude an Verbesserung |
Allein das Verständnis dieser Begriffe erfordert viele Jahre Ausbildung und Erfahrung.
Zusätzlich benötige ich Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch das Wissen, in welcher Reihenfolge ich meinen Reitschülerinnen und Reitschülern dieses Wissen vermitteln sollte. Auch wann und warum ich bei manchen Reiter/Pferdepaaren davon abweichen sollte.
2. Fachrichtungen nach Wichtigkeit für das Reitenlernen
Rang | Fachrichtung / Einflussfaktor | Bedeutung für das Reitenlernen | Typische Verwirrung / Fehlinterpretation |
---|---|---|---|
1 | Gefühl über Gesäß, Zügel und Bewegung | Zentrale Grundlage für Timing, Einfühlung, Balance | Wird durch Theorie überlagert; mangelnde Schulung der Körperwahrnehmung |
2 | Reitlehren und Ausbildungssysteme | Struktur und Prinzipien der Ausbildung | Unsicherheit durch unterschiedliche Schulen und Begriffe |
3 | Biomechanik | Verständnis von Bewegungszusammenhängen | Überbetonung theoretischer Analysen führt zu steifem Reiten |
4 | Ethologie (Verhaltenslehre) | Grundlage pferdegerechten Umgangs und Lernverhaltens | Dominanzmythen, Vermenschlichung |
5 | Didaktik und Pädagogik | Effektives Lernen und Vermittlung | Uneinheitliche Lehrmethoden, unklare Ziele |
6 | Sattelkunde und Ausrüstungskunde | Sicherstellung von Losgelassenheit und Schmerzfreiheit | Marketing, Dogmen, Fokus auf Material statt Ausbildung |
7 | Trainingsphysiologie | Systematisches, pferdeschonendes Training | Fehlende Anpassung an Pferd und Reiter |
8 | Psychologie des Reiters | Wahrnehmung, Körperspannung, Einwirkung | Unqualifizierte Coaching-Konzepte |
9 | Veterinärmedizin und Physiotherapie | Erhaltung der Leistungsfähigkeit | Widersprüchliche Diagnosen, Übertherapie |
10 | Hufkunde / Hufmechanik | Basis für gesunde Bewegung | Polarisierung Barhuf vs. Beschlag |
11 | Ernährungslehre | Langfristige Gesundheit und Leistungsbereitschaft | Überversorgung, produktgetriebene Empfehlungen |
12 | Rechts- und Tierschutzaspekte | Rahmenbedingungen pferdegerechten Handelns | Unkenntnis der Vorgaben |
13 | Zucht und Genetik | Exterieur und Temperament (langfristig) | Unpassende Pferdewahl zum Ausbildungsniveau |
Nun folgen die Einflussfaktoren aus den sozialen Medien – in der Reihenfolge, in der sie mir als am störendsten erscheinen. Diese Faktoren wirken sich negativ auf meinen Reitunterricht aus, treten jedoch in der Wahrnehmung zunehmend stärker auf.
Grund für diese „Störung“ ist die Wichtigkeit, mit der sie betrachtet werden, aber auch, wie korrekt, genauer gesagt auch wie unkorrekt sie vermittelt werden.
3. Nach Verwirrungspotential für Freizeitreiter
Rang | Fachrichtung / Einflussfaktor | Verwirrungsgrund | Typische Fehldeutung / Folge |
---|---|---|---|
1 | Biomechanik | Überkomplex, teils pseudowissenschaftlich | Reiten nach Positionen statt nach Gefühl; Verlust der Losgelassenheit |
2 | Reitlehren und Ausbildungssysteme | Widersprüchliche Schulen und Terminologie | Systemmischung ohne Verständnis; unsaubere Grundlagen |
3 | Sattelkunde und Ausrüstungskunde | Marketing; widersprüchliche Aussagen | Materialgläubigkeit; Sättel mit großen Pauschen statt Balancesitz |
4 | Gefühl über Gesäß, Zügel und Bewegung | Wird nicht systematisch geschult; durch Theorie überlagert | Mechanisches Reiten ohne echte Verbindung |
5 | Ethologie (Verhaltenslehre) | Vermenschlichung; Dominanzmythen | Fehlinterpretationen; unangemessene Methoden |
6 | Psychologie des Reiters | Esoterische/unklare Coaching-Ansätze | Unrealistische Erwartungen; falsche Selbstwahrnehmung |
7 | Veterinärmedizin und Physiotherapie | Uneinheitliche Diagnosen; Qualifikationsunterschiede | Fehlbehandlungen; Über- oder Schontherapie |
8 | Trainingsphysiologie | Modelle ohne pferdespezifische Anpassung | Überforderung; falsche Intensitäten |
9 | Hufkunde / Hufmechanik | Polarisierte Lager | Dogmatische Entscheidungen; Fehlbelastung |
10 | Ernährungslehre | Industrieeinfluss; widersprüchliche Empfehlungen | Überversorgung; Fehldiagnosen |
11 | Didaktik und Pädagogik | Uneinheitliche Traineransätze | Unklare Lernziele; Ineffizienz |
12 | Rechts- und Tierschutzaspekte | Unkenntnis oder Fehlinterpretation | Unsicherheit; Fehlverhalten |
13 | Zucht und Genetik | Indirekter, langfristiger Einfluss | Unpassende Pferdewahl zu Reiterfähigkeiten |